Nun sind wir angekommen, im Gruenen.
Noch gestern ging unser Weg durch karge Landschaft, Halbwueste, nur an Gewaessern gab es gruene Flaechen.
Heute: Der Weg ist von Baeumen gesaeumt, wo der Blick von unserer Cabana aus hin reicht, ueberall entweder blau glitzerndes Wasser oder tief gruene Waelder. So muss es auch in Kanada aussehen. Ein krasser Wechsel.
Neu auch hier: Eine Bremsenart, die es bei uns nicht gibt. Der erste Kontakt hat sich so gestaltet : Beim reinradeln in den Ort gestern haue ich mir auf den Oberschenkel, weil mich etwas gestochen hat. Volltreffer! Runter von meinem Bein torkelt ein Rieseninsekt, so gross wie eine Biene. Ich bekomme einen hysterischen Anfall, was habe ich da erschlagen, was hat mich gestochen?
Es entpuppt sich als eine Bremsenart, die uns in den naechsten Tagen (Wochen?) begleiten wird. Laut, riesig, laestig. Als wir die Cabana gestern angeschaut haben, hat uns ein Schwarm von diesen Viechern umschwaermt, ich wollte deswegen schon fast nicht bleiben. Kurt meint, es wird wohl hier ueberall so sein, er hat recht. Und: Man lernt damit umzugehen, es gehoert halt hier dazu.
Unsere Cabana (Ferienwohnung) ist diesmal ein kleines Haeuschen, unten wohnen, oben schlafen. Fruehstueck gibt es draussen auf der Terasse mit Blick auf den See und viele viele gruene Baeume. Es erinnert mich ein bisschen an Bauernhof-Ferienaufenthalte meiner Kindheit.
Emil lernt, Sachen rauszutragen und auf den Tisch zu stellen. Weil es so gut klappt, gebe ich ihm ein Marmeladenglas, rumms, zerspringt es auf dem Fliessenboden.
Emil sitzt so gerne auf seinem eigenen Stuhl bei den Mahlzeiten, dass wir erfinderisch sein muessen, die Stuehle auf die Sitzhoehe von Emil anzupassen. Drinnen dient die gelbe Tasche, draussen ein Frontroller als Sitzerhoehung. Emil sitzt da drauf stolz wie ein Koenig.
Wir fruestuecken lange und ausgiebig, ein wunderschoener Platz, Emil spielt um uns herum. Die laestigen Bremsen interessieren ihn komischerweise nicht, er wird nicht gestochen.
Wir sind hier mal richtig auf dem Land. Das Zentrum (nennt sich zona comercial) besteht nur aus einer Strasse, mit den zum Leben notwendigen Geschaeften.
Kurt findet das Geschaeft,wo es Internet gibt, ich erkunde mit Emil die Straende rings um unsere Cabana.
Endlich kann Emil mal buddeln am Strand. Er spielt ganz lieb mit seinen Bechern und dem Wasser und dem Sand. Am liebsten aber schmeisst er seine Becher ins Wasser und versucht dann, sie wieder rauszufischen. Er traut sich immer weiter ins Wasser rein, bis ich ihn festhalten muss, dass er nicht reinfaellt. Er spaziert im tiefen Wasser den Strand entlang. Einmal will er einen argentinischen Boy beeindrucken und spritzt wie wild rum, rumms haut es ihn rein ins Wasser, dass ich ihn geradezu retten muss, weil es zu tief ist zum alleine rauskommen. Es macht ihm aber nichts aus, er prustet empoert und weiter geht es. Er hat keine Scheu mehr vor dem Wasser.
Gleich am zweiten Abend gibt es im Zentrum (Zona Comercial) ein Fest: Das neue Haus fuer Artesanias wird eingeweiht. Der Buergermeister haelt eine Rede, danach stosst er auch mit uns an. Die Chefin der Gruppe von Artesanias hier vor Ort haelt eine Rede, unsere Wirtin ist auch da. Dann tritt eine Gruppe Taenzer auf, sie tanzen ein paar traditionelle Tzenze, das wird ein Highlight fuer mich: Wie meistens, sind alle Figuren und Gesten in den Taenzen ein stilisiertes Werberitual. Mich beeindruckt, auf welch hohem Niveau der Stilisierung, mit welcher Ausdrucksqualitaet diese “Volkstaenze” sich befinden. Mir fallen nur als Vergleich Taenze der Renaissance ein, wo mit aehnlich raffinierten Mitteln das Werben der Maenner und das kokettieren der Frauen dargestellt wird.
Danach spielt ein lokaler Gitarrist mit seinem “besten”(vermute ich mal) Schueler auf, ich muss an zuhause denken – was wohl meine lieben Schueler machen?
Dann singt und spielt der Gitarrist selber – irgendwie kriegt er seine Gitarre nicht gestimmt, es wird immer schraeger, wir geniessen noch eine Weile die Atmosphaere, dann wird es kalt, Emil kriegt meine Bluse an, wir radeln wieder heim.
Dann heisst es, Einkauefe fuer Weihnachten taetigen. Wir entdecken ein Spielzeuggeschaeft. Hier wollen wir ein Spielzeug fuer Emil finden, das Geschaeft ist geschlossen, aber eine Verkaeuferin aus dem Geschaeft nebenan telefoniert den Besitzter herbei. Die Auswahl ist nicht berauschend. Emil gefallen Gummidinos am besten. Ich will aber lieber nicht schon fruehzeitig Neigungen anlegen. Ein Spielzeugauto ist zu schwer, es wird ein Sortierspiel, das zwar eigentlich warscheinlich noch zu schwer ist fuer Emil, aber was besseres finden wir nicht.
Dann geht es ums Weihnachtsessen. Ich gehe in den Supermarkt einkaufen. Wir haben vor, zu grillen (Asado heisst das hier ja). Aber was kaufe ich da? Ich hab ja zuhause schon keine Ahnung, welches Fleisch man wozu braucht. Aber gluecklicherweise ist unsere Wirtin gleichzeitig auch im Supermarkt. Die bitte ich, mir etwas zu empfehlen. Sie empfielt Asado de Tiara, das sind Rippenstuecke. No, no gusta a mi marido, mag Kurt nicht so gerne, nicht fuer ein Festmal. Ein deutsch sprechender Angesteller des Supermarktes wird gefunden und dazu beordert, er hilft auch. Der Fleischverkaeufer ist auch sehr bemueht, fuer die ratlose Touristin das richtige Fleischstueck zu finden, die Schlange an der Fleischtheke wird immer laenger, mir rinnt der Schweiss den Ruecken runter. Ploetzlich sind sich alle einig, dass ein halbes Lamm, das ganz rechts in der Theke liegt (die Haelfte ist noch so unzerlegt, dass ich mir das Tierchen mit Fell richtig gut vorstellen kann, fuer mich unerfahrenen Fleischkonsumenten ein grausiges Teil), dass das genau das Richtige fuer mich und meinen Marido ist. Der Schweissstrom verdoppelt sich, so ein riesiges Tier sollen wir grillen? Das kann ich mir nicht vorstellen. Aber ich habe keine Wahl mehr, alle haben sich so sehr bemueht um mich, die Schlange, nochmal vom Kurs abzuweichen waehre sehr unhoeflich. Ich hab keine Ahnung, wie man mit so einem Stueck Fleisch umgeht, was wird Kurt sagen? Ich erreiche noch, dass der Mann an der Fleischtheke das Teil halbiert, mit einem Viertel Lamm ziehe ich schliesslich ab. Die Wirtin verspricht mir, dass ihr Mann uns in der Zubereitung helfen wird und merkt noch an, dass sie und ihr mann mit der Haelfte mengenmaessig nicht die geringsten Schwierigkeiten haben wuerden, nun gut.
Am 24. dann stuermt es wieder mal heftig, der Wind kommt da her, wo wir auch hergekommen sind, die Luft ist voll Sand. Wir verschieben das Asado auf den 25. , wo Kurt es meisterhaft am Asadogrill hinterm Haus zubereiten wird. Es wird ein voller Erfolg.
Am 24. gehen wir abends an den Strand, Kurt bastelt fuer Emil ein Schiffchen aus Holz, das mit einem Segel aus Zeitungspapier tatsaechlich davonsegelt, bis es in der untergehenden Sonne verschwindet, Emil kann ich gerade noch davon abhalten, hinterher zu rennen. Kurt haette gerne noch eine Kerze drauf montiert, aber es wird ja ewig nicht dunkel hier, also verzichtet er auf die Kerze.
Mit dem Kerzenzauber wird es so recht nichts, wenn es erst um 10:00 dunkel wird. Aber was ist Weihnachten ohne Kerzen, ohne Lichter, die das Dunkel hell machen?????
Wir verbringen trotzdem ruhige, gelassene Weihnachtstage, am meisten Weihnachtsstimmung macht noch ein Jazzkanal, der Jazz-Weihnachtsevergreens bringt.
Schoen war es, einmal wieder laenger an einem Ort zu sein, es ist anstrengend, immer unterwegs zu sein. Dann aber wird es wieder Zeit zum Aufbrechen, Routine setzt ein: Vorraete sortieren, einpacken, Raeder putzen, Sachen Packen, Abschied von der netten Wirtin, weiter geht es richtung Chile.
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